Flüchtlingshilfe
ist mehr als Sonnenblumen in die Hand zu drücken
und Apfelkuchen backen

 

So kommentierten mit Ankommen der ersten großen Flüchtlingswellen erfahrene Flüchtlingshelfer, die Begeisterung, die den Flüchtlingen an Bahnhöfen und anderswo entgegen schlug.

 

Unsere Kirchengemeinde wurde im vergangenen Spätsommer von der Stadtverwaltung gefragt, ob Ehrenamtler die Betreuung von Flüchtlingen in der Roggendorfer Turnhalle übernehmen könnten. Andere Einrichtungen werden bereits seit längerem durch andere Gemeinden betreut. So Elisabethhütte durch die Freie Ev. Kirche und Haus Rath in Strempt durch die katholische Kirchengemeinde. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Ehrenamtler, die in anderen Unterkünften wie Peterheide aber auch für in Wohnungen untergebrachte Flüchtlinge tätig sind.

 

In der Tat konnten Pfarrer Stöhr und Pfarrerin Salentin in relativ kurzer Zeit gemeinsam mit dem Ortskartell Roggendorf eine Gruppe Ehrenamtler –aktuell eine Gruppe von knapp 15 Personen, den s.g. Arbeitskreis Roggendorf finden und dieses bevor der erste Flüchtling in die Halle einzog.

 

Seit September letzten Jahres wohnen ca. 50 Flüchtlinge aus Afrika, Syrien und dem Balkan unter einem Dach in der Roggendorfer Turnhalle, die zu diesem Zwecke mittels Holzplatten in mehrere Wohneinheiten aufgeteilt wurde, in denen jeweils 4 bis 6 Personen wohnen und sich Küche und Sanitärräume teilen müssen. Tageslicht gibt es in dieser Halle nicht. Die Oberlichter sind mit Vorhängen zugezogen; Licht scheint nur in die Küche, die im ehemaligen Geräteraum eingebaut wurde. Hierüber erfolgt auch, vom Notausgang mal abgesehen, die Belüftung. In den einzelnen Wohneinheiten schlafen die Flüchtlinge in Etagenbetten, für ihre persönlichen Sachen stehen ihnen Spinde, Tisch und Stühle zur Verfügung. Außerhalb dieser Wohneinheiten können sich die Menschen nur in der Küche im Vorraum der Halle und auf den alten Bänken der Turnhalle, die noch in der Halle verblieben sind, aufhalten.

 

Zu Beginn fehlte es an manchem, dass durch persönliches Engagement insbesondere vom Ehepaar Reinartz und von Regina Röhricht aus dem Arbeitskreis erfragt, erbeten oder erstritten wurde. Dabei ging es z.T. um Dinge, die in einem „normalen“ Haushalt selbstverständlich sind. Als da wären, eine vernünftige Müllentsorgung, die Möglichkeit die Turnhalle verschließen zu können, Briefkästen, Schmutzfangmatten, Duschabtrennungen und dgl.

 

Unser Arbeitskreis Roggendorf war von vornherein so organisiert, dass tägl. von Mo-Fr mind. 2 Ehrenamtler zu einer festen Uhrzeit eine Art Sprechstunde für die Flüchtlinge abgehalten werden.

 

Die Fragen und Anliegen die von den Flüchtlingen an uns heran getragen wurden und werden, führten schnell zu Aktivitäten auch außerhalb dieser Sprechstunden wie z.B. Vermittlung von Arzt- oder Rechtsanwaltsterminen, Begleitung zum Ausländeramt, Vorsprachen im Kindergarten, inzwischen auch Termine zur Wohnungssuche und Vermittlung von Praktika.

 

Die theoretischen und praktischen Erkenntnisse werden von uns im 14-tägigen Rhythmus ausgetauscht. Hierzu treffen wir uns im D-B-H.

 

Dieser Austausch zeigt aber auch, dass viele Themen von völlig unterschiedlichen, wenn nicht sogar gegensätzlichen Standpunkten betrachtet werden können.

 

Es ist ein permanentes Abwägen, wieviel den Flüchtlingen zuzumuten ist, wo unsere Grenzen – zeitlich wie kräftemäßig – erreicht sind und wo tatsächlich Unterstützung erforderlich ist.

 

Es geht um gerechte Verteilung, um die Verantwortung für die Menschen aber auch die Verantwortung der Menschen für sich selbst. Sie haben es bis nach Mechernich geschafft, warum ihnen also zu wenig zutrauen.

 

So stellt sich mitunter die Frage inwieweit wir das Recht vielleicht auch die Pflicht haben uns in das Leben der Flüchtlinge einzumischen. Und z.B. auf die Einhaltung von Rauch- und Alkoholverbot zu achten; auf Sauberkeit hinzu weisen und dgl. mehr.

 

Leider konnten wir dabei nur indirekt auf die Erfahrung anderer Flüchtlingsgruppen zurück greifen, da ein solcher Austausch auf kommunaler Ebene nicht gefördert wird. Auch scheint es uns, dass Besprechungen unter dem Dach eines evangelischen Gemeindezentrums für den ein oder anderen abschreckend wirkt und man unseren Einladungen nicht folgt. 

 

Inzwischen schätzen wir die Grundversorgung der Flüchtlinge dieser Turnhalle als gegeben an; die Asylverfahren sind unterschiedlich weit fortgeschritten; ein Sprachkursus wurde eingerichtet, Praktika wurden vermittelt ebenso wie Tätigkeiten beim Mechernicher Bauhof; die schulpflichtigen Kinder können tatsächlich die Schule besuchen. Wir haben einen Begegnungsabend mit den Roggendorfern organisiert, haben einen Ausflug ins Freilichtmuseum gemacht und gemeinsam Advent gefeiert.

 

Trotzdem sind viele Herausforderungen geblieben. Gerade der unterschiedliche Status der Asylverfahren erfordert es, dass wir uns wie bisher auch mit den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen befassen, um den Flüchtlingen bei ihren Fragen zur Seite stehen zu können. Trotz aller Bemühungen von Helfern und Flüchtlingen gibt es hin und wieder Spannungen bis hin zu Handgreiflichkeiten in der Halle. Die Kinder haben außer dem benachbarten Spielplatz keine Spielmöglichkeiten. Unsere zeitlichen Ressourcen und unsere Kräfte werden auch in anderen Einrichtungen benötigt und von vielen aus dem Arbeitskreis in Personalunion auch insbesondere für die Einrichtung in der Peterheide eingesetzt.

 

Wir arbeiten immer noch gerne und engagiert mit „unseren“ Flüchtlingen. Die Begegnungen und Erfahrungen sind nicht nur Herausforderung sondern auch Bereicherung. Es wird uns Respekt und Freundlichkeit entgegen gebracht. Frauenfeindliches Benehmen, wie aus anderen Einrichtungen geschildert oder in der Silvesternacht zutage getreten, kennen wir nicht.

 

Dieses kann aber nur funktionieren, wenn man am Menschen dran bleibt; wenn man keine Ghettos schafft; wenn man den Mensch im Menschen sieht.

 

Es funktioniert auch nur im Gemeinsamen. Wir müssen neue Netze knüpfen, die die Flüchtlinge, Schwachen aber auch die Engagierten auffangen.

 

Flüchtlingshilfe ist mehr als Sonnenblumen überreichen und Apfelkuchen backen.